April 2023 – Zeitungsartikel der Frankfurter Neue Presse

Ober-Mörlen: Das »Wir« in Landwirtschaft – Solidarische Landwirtschaft an der Hüftersheimer Mühle

© Kim Luisa Engel

In einem der Folientunnel reifen Salate, Rettich, Brokkoli, Auberginen, Paprika, Radieschen, Spinat, Mangold und vieles mehr.

Vergangenes Jahr hat sich die »SoLaWi« an der Hüftersheimer Mühle in Ober-Mörlen noch in der Testphase befunden. Ab April soll es dort am besten mit 100 Anteilnehmern losgehen.

Viele Gemüsepflanzen auf den Feldern und in den Gewächshäusern rund um die Hüftersheimer Mühle warten darauf, dass das Wetter besser wird. Nicht mehr lange, bis die erste Ernte kommt – die Radieschen sind bald schon reif. Auf einem Acker sind Reihen abgeteilt – vor Kurzem wurden dort 500 Erdbeerpflanzen gesetzt. »Das sieht jetzt nach nichts aus, kommt aber noch«, sagt Nina Miehling und lacht. Sie ist als Schatzmeisterin Teil des Mitte März gegründeten Vereins »SoLaWi Hüftersheim« und für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig.

Ihr Mann Stefan und sie haben den Hof vorher als Selbstversorger geführt, er gehört seiner Mutter Adelheid. Als Stefan Miehling länger ausfiel, fanden sich junge Interessenten, die ehrenamtlich weitermachten. Vergangenes Jahr gab es so viel Gemüse, dass sie das Konzept einer solidarischen Landwirtschaft – kurz »SoLaWi« – testeten. 15 Anteile wollten sie anbieten, um zu schauen, wie das ankommt. »Das hat so gut funktioniert, am Ende waren es 20 bis 30«, sagt Nina Miehling. Damals hatte das Team noch keine Lagermöglichkeit – wohl aber den Plan, im kommenden Jahr mehr Anteile anzubieten.

»SoLaWi Hüftersheim« in Ober-Mörlen: Schafe tragen zu geschlossenem Hofkreislauf bei

»Jetzt machen wir das professionell«, sagt Miehling. Für dieses Jahr hat der Verein 100 Anteilnehmer angepeilt. »Das ist das, was wir erreichen müssten«, sagt Miehling im Hinblick auf die Kosten. Mit dem Geld können eineinhalb bis zwei Stellen für Gärtner gedeckt werden. Die sollen fest angestellt sein und fair bezahlt werden. »Also nicht am Mindestlohn kratzen«, sagt Miehling.

Auch die Schafhaltung wird damit unterstützt. Die Tiere tragen zu einem geschlossenen Hofkreislauf bei, sind in der Landschaftspflege eingesetzt. Ihr Mist ist Bestandteil des Komposts zum Düngen.

»SoLaWi Hüftersheim« in Ober-Mörlen: Bio-Qualität ohne Zertifikat

Ab April geht es los – bis Ende April können sich Interessenten noch ihren Anteil sichern. Der kostet 95 Euro pro Monat. Dafür gibt es jede Woche eine Kiste mit frischem Obst und Gemüse. Alles biodynamisch, wenn auch ohne Zertifikat. »Die Kisten packen wir nicht selbst«, sagt Miehling. Es soll zwei Ausgabetage geben: Einen an der Mühle in Ober-Mörlen. Und einen dort, wo die meisten Kunden herkommen. Regionalität ist wichtig, also auch kurze Wege. Dazu hat der Verein einen Wagen gekauft, auf dem Kartoffeln, Karotten, Tomaten und Co. liegen werden. »Wir schreiben aus, wie groß der jeweilige Anteil ist. Die Mitglieder wiegen und packen selbst«, sagt Miehling. Überhaupt dürfen, können und sollen die Anteilnehmer mitbestimmen, »in welche Richtung es geht«. Möchten sie zum Beispiel mehr Erdbeeren oder Spargel haben, könne das arrangiert werden. Ende es Jahres soll es eine Mitgliederversammlung geben, in der überlegt werde, wie ein mögliches Plus reinvestiert werden könne. Zwar sei so kalkuliert, dass kein Gewinn entstehe, dennoch sei ein Teil des Budgets für etwaige Reparaturen der Maschinen bestimmt.

»SoLaWi Hüftersheim« in Ober-Mörlen: Mitglieder sollen und dürfen mithelfen

Zudem sei es nicht nur erwünscht, sondern absolut willkommen, dass sich die Kunden einbringen und mithelfen auf dem Hof. »Das ist ein Wir«, sagt Miehling. »Jeder, der sich einbringen möchte und kann, darf.« Es sei nicht eine kleine Gemeinschaft von Leuten, die alles mache. Das könne und solle gemeinsam entstehen – der solidarische Gedanke eben. »Mit dem Unterschied, dass die Kunden nicht auf dem Acker rumstiefeln müssen.«

Derzeit wirken bei der »SoLaWi Hüftersheim« mit (v. l.): Stefan Miehling, Nina Miehling, Ivan Lobach, Xiaojuan Xia, Lisa Beck, Bernd Kollmer und Bernhard Gass (vorne). Manuel Weiß – der sich auch um die Schafe kümmert -, Linda Schmunk, Nico Huhnstock und Freimut Schönberger sind nicht auf dem Bild zu sehen.

Die Menge an Obst und Gemüse schwankt nach Saison, sagt Miehling. Im Sommer könne viel – für manchen vielleicht zu viel – in der Kiste sein, im Winter dafür weniger. Der Verein hat die Idee, dass Mitglieder einen Überschuss angeleitet einkochen können. Dazu soll es auch Rezeptideen geben. Eine der Gärtnerinnen hat Miehling zum Beispiel gezeigt, wie sie Chilis zu Paste fermentieren kann. Zudem werde Wintergemüse angepflanzt – Rote Beete, Schwarzrettich, Kohl und Co. – und einiges eingelagert, damit es auch im Winter variantenreich bleibe.

»SoLaWi Hüftersheim« in Ober-Mörlen: Konzept braucht ein bisschen Vertrauen

Da jetzt noch nicht viel auf den Feldern zu erkennen sei, brauchten Kunden etwas Vertrauen. »Die Ergebnisse kommen, die Vorarbeit muss aber gemacht und bezahlt werden«, sagt Nina Miehling. Gehe man im Supermarkt einkaufen, sehe man die Vorarbeit nicht. »In der Landwirtschaft muss aber erst etwas gemacht werden, damit hinterher geerntet werden kann.«

Die »SoLaWi Hüftersheim« hat bisher zwei Folientunnel. In einem reifen Salate, Rettich, Brokkoli, Auberginen, Paprika, Radieschen, Spinat und Mangold. Einer wird später nur für Tomaten genutzt, deshalb will sich der Verein bei nächster Gelegenheit noch um einen Dritten kümmern. »Je breiter wir aufgestellt sind, desto besser können wir die Eigenarten des Jahres abfangen«, sagt Miehling mit Bezug auf das Wetter. Vergangenes Jahr um diese Zeit sei es schon länger 20 Grad gewesen, jetzt soll es nachts wieder frieren. »Die Leute müssen lernen, wieder hinzuschauen und zu erkennen, was das Land uns wann gibt«, sagt Miehling. »Wenn wir da ankommen, haben wir es geschafft.«

Wer sich für einen Anteil bei der »SoLaWi Hüftersheim« interessiert, kann unter info@solawi-hueftersheim.de oder Tel. 01 57/58 17 94 45 Kontakt aufnehmen. Die Internetseite solawi-hüftersheim.de ist noch einige Tage in Bearbeitung und steht dann rund um die Uhr zur Verfügung. Der Ernteanteil misst sich am durchschnittlichen Bedarf eines Zweipersonenhaushalts oder einer kleinen Familie. Singles haben die Möglichkeit, sich einen Anteil mit einer weiteren Person zu teilen. Gerne können sich auch Interessierte aus dem Raum Frankfurt melden, sagt Nina Miehling. Die Verträge gelten ab 1. April bis 31. März.

März 2023 – Flyer

August 2022 – Zeitungsartikel der Frankfurter Neue Presse

Ober-Mörlen: Regional, saisonal, kollegial – Solidarische Landwirtschaft an der Hüftersheimer Mühle

Gemüse in Hülle und Fülle: An der Hüftersheimer Mühle in Ober-Mörlen ist eine solidarische Landwirtschaft gerade in der Testphase. Für die kommenden Jahre gibt es große Pläne.

Eine Schubkarre steht auf dem Hof. Darin liegt Gemüse, verschieden und bunt: Tomaten, Kartoffeln, Brokkoli, Kohlrabi, Sellerie und Mangold, mit seinen grünen Blättern und den gelb-, orange- und pinkfarbenen Stielen. Das alles stammt aus dem Anbau auf dem Bauernhof an der Hüftersheimer Mühle in Ober-Mörlen. Ein Team junger Menschen testet dort das Prinzip einer solidarischen Landwirtschaft – kurz »SoLaWi«.
»Die Frage ist eher, was es gerade nicht gibt?«, sagt Bernd Kollmer, als er auf die volle Schubkarre blickt. Zusammen mit Manuel Weiß, Lisa Beck, Malina Buttgereit und Tobias Vogler, aber auch vielen anderen Helfern, kümmert er sich um den Anbau des Gemüses. Der Hof gehört Adelheid Miehling, der 92-jährigen Großmutter von Weiß. Sein Vater Stefan Miehling, erzählt er, hat den Hof etwa 30 Jahre lang »selbstversorgermäßig« bewirtschaftet. Nebenbei Gemüse angepflanzt, Tiere gehalten und den Acker der Bad Nauheimer Waldorfschule gepflegt. »Es war sein Anliegen, Nachvollziehbarkeit zu entwickeln«, sagt Manuel Weiß.


Ober-Mörlen: Fokus auf Pädagogik und Arbeit mit Kindern

Als klar war, dass sein Vater länger ausfällt, erzählt Weiß, haben sich Interessenten gefunden, die sein Werk weiterführen wollten. Der Fokus auf Pädagogik ist ihm und den anderen wichtig. Wöchentlich kommen zwei Schulklassen an die Mühle und arbeiten zusammen mit dem Team, lernen dabei das Gemüse und die Tiere – etwa 50 Schafe, zwei Arbeitspferde, Hühner, Ziegen und einen Ganter – kennen.

»Wir haben einen geschlossenen Hofkreislauf. Das haben heute nur wenige Betriebe«, sagt Weiß. Der Mist der Tiere ist zum Beispiel wesentlicher Bestandteil des Komposts. Dadurch können Kosten gespart werden, denn Preise für Dünger sind in den letzten Monaten geradezu explodiert. Auch die hohen Spritpreise fallen durch kurze Wege nicht zu sehr ins Gewicht. »Wir haben schon ein paar Mal mit dem Pferd gearbeitet. Manchmal ist das die bessere Alternative zum Traktor.«


Ober-Mörlen: Obst und Gemüse mit Bio-Qualität ohne Zertifikat

Dieses Jahr mit der solidarischen Landwirtschaft zu starten habe das Team kurzfristig entschieden. »Wir hatten zu viel Gemüse, das sollte nicht vergammeln«, erläutert Malina Buttgereit. 15 Anteile haben sie daher in ihrem Bekanntenkreis angeboten, acht sind bereits verkauft. Für 70 Euro im Monat steht wöchentlich eine Kiste Gemüse zum Abholen bereit – bald soll es auch Obst geben. Und das in Bio-Qualität, wenn auch ohne Zertifikat.

»Dieses Jahr sind es 15 Anteile als Test. Wir wollen schauen, ob das fruchtet und angenommen wird«, sagt Lisa Beck. Abnehmer der ersten Kisten waren Nachbarn, direkt gab es positives Feedback. »Eine Kundin sagte: ›Jetzt kann ich damit in der Nachbarschaft angeben‹«, erzählt Beck und lacht. Die Kisten gibt es seit Anfang August. Bis Ende Oktober soll die Testphase laufen – und nicht, wie bei einer »SoLaWi« üblich, das ganze Jahr über. »Weil das nicht geplant war, haben wir noch keine Lagermöglichkeit«, sagt Beck. Im kommenden Jahr möchte das Team 50 Anteile anbieten und ab Januar starten. Eine Vergrößerung ist für die nächsten Jahre angedacht.

Ober-Mörlen: Langfristiges Projekt soll an der Hüftersheimer Mühle entstehen

Dabei erinnern alle daran, dass es normal sei, dass im Frühjahr und Winter weniger in den Kisten sein könnte. Im Sommer dafür aber viel mehr. »Man zahlt für das ganze Jahr, das ist eben der solidarische Gedanke«, sagt Buttgereit. Der Kreislaufgedanke, was wann reif sei, beschäftige das Team.

»Früher war es gang und gäbe von und mit dem Land zu leben«, sagt Beck. Tobias Vogler ergänzt: »Das, was früher ein Muss war, sucht man heute wieder.« Die Verantwortlichen wollen aus der Mühle ein langfristiges Projekt machen, einen Verein unter dem Namen »Gemeinschaftliche Landwirtschaft an der Hüftersheimer Mühle« gründen und weiter Wert auf den pädagogischen Aspekt legen. Beim nächsten Ober-Mörler »Dorfforum« Ende August möchten sie ihre Ideen für die Zukunft vorstellen. Von einem Backhaus, einer eigenen Käserei und einem Seminarraum ist die Rede, auch Tierpatenschaften sind angedacht. Für das kommende Jahr haben die jungen Leute die Hoffnung, sich selbst entlohnen zu können. Mit der »SoLaWi« kann der Lohn für die Tierhaltung laut Beck nicht abgedeckt werden. Ehrenamtlich, wie jetzt, geht es langfristig nicht.

Ober-Mörlen: Ganzheitlicher Ansatz und okölogische Landwirtschaft

Wichtig ist dem Team, wie Kollmer betont, der ganzheitliche Ansatz. Alles auf dem Hof sei ein Kreislauf und nachhaltig. »Das wollen wir öffnen, den Menschen und Kindern zeigen, sie die ökologische Landwirtschaft erleben lassen«, sagt Weiß und Kollmer ergänzt: »Das kennen die meisten heutzutage gar nicht mehr.«

Info: »SoLaWi« an der Hüftersheimer Mühle

Sieben der 15 Anteile an der solidarischen Landwirtschaft in der Hüftersheimer Mühle können noch verkauft werden.

Über eine E-Mail an die Adresse gemeinschaftliche-landwirtschaft@posteo.de werden Interessenten in den Verteiler aufgenommen. Wer nicht gleich eine ganze Kiste haben möchte, kann einzelne Produkte der »SoLaWi« auch dienstags auf dem Butzbacher Wochenmarkt kaufen. Zudem ist das Team offen für Helfer, die sie beim Anbau, bei den Tieren, der Pädagogik, der Internetseite oder bei den Förderanträgen unterstützen möchten.

Am Samstag, 17. September, findet ein Projekttag an der Mühle statt, an dem man das Team und die Arbeit kennenlernen kann. Infos gibt es über den Mailverteiler.